Dieser Artikel erschien ursprünglich in der zweiten Version meines Weblogs, uninformation.org, das von Dezember 2006 bis Juni 2009 aktiv war, und wurde hier aus blognostalgischen Gründen archiviert. Neue Artikel hat die aktuelle Blogversion der Uninformat im Angebot.

Der 24C3-Rundumschlag

24C3: Simulation

Nun ist er schon wieder Geschichte, der 24C3. Nach vier Tagen und Nächten im bunten Hackertreiben mussten sich alle Beteiligten um den Jahreswechsel herum erst einmal ausruhen. Es gibt kaum eine intensivere Veranstaltung dieser Art, man stürzt sich – »Volldampf voraus« – hinein ins Treiben und denkt nach vier Tagen: »Was, schon wieder vorbei?« 4.013 Besucherinnen und Besucher schauten sich 100 Vorträge und zahllose Workshops und Projekte an oder blieben einfach vier Tage im Keller sitzen und hackten.
Zum Abschluss möchte ich hier das Congress-Geschehen beleuchten und zu jedem Themenkomplex Empfehlungen für das nachträgliche Anschauen der Vorträge geben. Denn erfreulicherweise sind dieses Jahr die Videoaufzeichnungen bereits kurz nach dem Congress verfügbar, einen kräftigen Applaus für das Dokumentations-Team (vgl. dazu NetzpolitikTV 028).

Demo gegen Vorratsdatenspeicherung beim 24C3

Aktivismus

Eines der Hauptthemen wurde von der politischen Realität vorgegeben: Der Trend zum Überwachungsstaat mit immer neuen so genannten »Sicherheitsmaßnahmen«. Weil das eines der Themen ist, das auch »Nicht-Geeks« verstehen können, verleiten die Diskussionen darüber zu einer einseitigen Wahrnehmung der Veranstaltung, wie z.B. von Kai Biermann in der ZEIT. Dass Biermann ausgerechnet beim Congress »Powerpoint« ausfindig gemacht haben möchte, ist wohl eher einem grundsätzlichen kulturellen Nicht-Verstehen geschuldet. Aber der Tenor des Artikels, der CCC sei im Grunde eine Bürgerrechtsorganisation, die sich zu Themen äußere, von denen sie nichts verstünde, ist schon (nicht nur) ein wenig unverschämt. Fefe hat in seinen Blog eine Replik verfasst.

Thema war das aktuelle unter der griffigen Formel »Stasi 2.0« zusammengefasste Geschehen selbstverständlich. Neben diversen Vorträgen gab es am Abend des 29.12. eine Demonstration gegen die Vorratsdatenspeicherung auf dem Alexanderplatz.

»What is terrorism« war, wie schon erwähnt, zweifellos einer der beeindruckendsten Vorträge überhaupt (Video). Die nächste Drehung an der Daumenschraube der Überwachung wird mit der Fluggastdatenspeicherung in Brüssel schon vorbereitet, darüber hatte ich schon geschrieben (Video).

Ein anderes »aktivistisches« Thema sind die Aktionen gegen den Einsatz von Wahlcomputern. Constanze Kurz und Frank Rieger berichteten in »NEDAP-Wahlcomputer in Deutschland« über den aktuellen Stand der Wahlcomputer-Debatte in Deutschland (Video, inoffiziell (Matroska, 127 MB)). Dabei konnte belegt werden, dass beim Umgang mit den Wahlcomputern nicht einmal die elementarsten Vorschriften eingehalten werden. Bei näherer Beschäftigung mit dem Thema fragt man sich stets: Warum eigentlich soll man unbedingt Wahlcomputer verwenden? In einer Demokratie ist die Wahl der Vorgang, der die Legitimität sämtlichen Regierungshandelns begründet. Wieso will man unbedingt Technologien durchdrücken, die auch nur einen kleinen Schatten auf diese Legitimität werfen könnten?

24C3: Netz-Plotter

Hacken und Basteln

Man ist immer wieder erstaunt, auf welche Ideen die Damen und Herren kommen, die auf dem Congress ihre Hacks präsentieren. Zur Begriffsklärung, unter Hacken versteht man das Schaffen neuer Dinge durch ungewöhnliche Re-Kombinationen vorhandener Dinge und Kenntnisse, wie z.B. den dampfgetriebenen Telex-RSS-Reader aus dem ersten Vortrag (Video).

Ein anderer Vortrag, »Desperate House-Hackers« (Video, inoffiziell, (Matroska 66MB)) beschäftigte sich mit den Innenleben und Möglichkeiten der Pfandflaschenrückgabeautomaten. Der Vortrag von Nils Magnus ließ keine Fragen über Theorie, Praxis und technischer Umsetzung des großen Moloch Flaschenpfandsystem offen.

Aber nicht nur Technik kann man hacken, auch Lebewesen. Drew Endys Vortrag »Programming DNA« (Video) lieferte alles zum Hacken von DNA-Sequenzen. Das Erstaunliche (oder auch Erschreckende) daran: Man muss keine Uni mit gewaltigem Laboratorium dafür haben, Scanner und Synthetisierer sind sogar für den Preis eines gebrauchten Kleinwagens in ebay erhältlich. Sein Haustier oder sich selbst zu hacken wird damit zunehmend eine realistische Option…

Geek-Zeugs

Selbstverständlich kamen auch die Computer-Geeks nicht zu kurz. Für Freunde der Apfel-Rechner war der hervorragende Vortrag von lucy mit dem Titel »Inside the Mac OS X Kernel« (Video). Kenntnisreich stellte lucy das Kernel-Konzept von OS X vor, widerlegte die Legende vom Microkernel und stellte verständlich da, wie die einzelnen Subsysteme hinter der schicken Oberfläche von OS X zusammen werkeln. Ein ganz hervorragender Vortrag der Referentin, in Form und Argumentation und Faktenreichtum überzeugend.

FX of Phenoelit, Stammreferent auf CCC-Congressen, stellte die Funktionsweisen und Möglichkeiten der allgegenwärtigen Barcodes in »Toying with barcodes« vor (Video). Es ist erstaunlich, wie simpel dieses System ist und welche Möglichkeiten zum »Spielen« drin stecken…

Eine grundlegende Einführung in gängige Fehler ;) gab Tonnerre Lombard mit »Grundlagen der sicheren Programmierung« (Video). Im Stil ein wenig »von Nerds für Nerds«, ist dieser Vortrag für alle geeignet, die zwar programmieren, aber nicht regelmäßig mit Sicherheit und Exploits zu tun haben.

Antiheld und Held

Fazit

Das Bild der beiden T-Shirts drückt sehr schön das Spektrum des diesjährigen Congress aus, zwischen der alten Tradition als Treff von Hackern im kreativen Umgang mit Technologie aller Art (dafür steht natürlich das Portrait des 2001 verstorbenen CCC-Mitgründers Wau Holland rechts) und der neuen Rolle als eines der Zentren der Bewegung gegen »Stasi 2.0«. Trotz der ernsten Themen kam der Spaß nicht zu kurz, fast alle der über 4.000 Besucher werden eine gute Zeit beim 24C3 verbracht haben.

Die Organisation war sensationell, ich musste nicht mal beim Ticket-Kauf lange warten. Kabelnetz funktionierte gut, WLAN war immer ein bisschen wackelig, aber das ist bei einer solchen Menge von drahtlosen Rechnern stets problematisch.

Zum Schluss wie immer ein großes Danke schön an alle.

Die Vielfalt der Themen lassen vier Tage wenig erscheinen, ich habe noch einige Videos von Vorträgen auf der Platte liegen, die ich noch in Ruhe anschauen möchte, daher kann hier vielleicht noch ein Nachzügler kommen. Ansonsten: »Volldampf voraus«, und auf Wiedersehen zu 25C3!

Und endgültig zum Schluss noch ein nettes Grußwort des CCC-Mitgründers Tom Twiddlebit:



4 Kommentare


Ralf G. am 05.01.2008:


Danke, eigentlich war es nur zu dunkel für Farbe und es gabr reichlich ISO-Rauschen. Aus der Not eine Tugend machen. ;)

Rafael am 05.01.2008:


Finde ich sehr gut, dass du dich engagiert hast! Ich war leider nur ein paar Stunden dabei, da ich mich um meine Familie kümmern musste. Hoffen wir mal, dass das Ganze etwas bringt – ein deutliches Zeichen wurde auf jeden Fall gesetzt!

Ralf G. am 09.01.2008:


Plasma, ich war zwar nicht auf dem Camp (ich hasse Camping), aber es könnte in Sachen »elementarer Infrastruktur« schon ein bisschen mehr sein. Ist ja nicht normal, seine Körperfunktionen nach dem Talk-Schedule zu richten, nach dem Motto: »Oh, schnell zum WC, gleich ist der Talk zu Ende, dann steht wieder die starrende und schweigende Nerd-Schlange im WC«. ;)

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