Liebes Tagebuch!
Ja, was waren das noch für Zeiten! Damals, so um 2002, als man sich noch die Köpfe heiß redete in Weblogs über die Frage, ob wohl ein Weblog ein Tagebuch oder ein Tagebuch ein Weblog sei und jeder Artikel über Weblogs in der traditionellen Presse mit einem Weblog-Tagebuch-Vergleich daher kam. Im vergeblich Bestreben, das neue einzige originäre Medium des Webs den »Offlinern« mit halbgaren Anknüpfungen an das Alltagswissen zu erklären. Heute gibt es Weblogs wie Sand am Meer, jeder kennt sie, jeder dahergelaufene BWLer schreibt eins. Sie wenden sich aber lieber der »spannenden« Frage zu, ob wohl soziales Netzwerk DeinZV dieses oder jenes macht. Oh mein Tagebuch, sie haben noch gar keine richtige eigene Stimme gefunden, aber die Seitenleiste ist schon mit Werbung zugekleistert. Liebes Tagebuch, they suck!
Umso schöner, dass ab heute das Museum für Kommunikation in Frankfurt in der Ausstellung »Absolut privat!? Vom Tagebuch zum Weblog« diesen alten Faden vom klassischen Tagebuch auf Papier zum stets unter latenten Exhibitionismus-Verdacht stehenden Weblog wieder aufgreift. Im Flyer zur Ausstellung (PDF) heisst es:
»Dabei konzentriert sich die Ausstellung auf die charakteristische Kommunikationssituation des Tagebuchs, auf die Verschränkung von schreibendem, geschriebenem und adressiertem Ich. Wer schreibt, ist schon nicht mehr allein mit sich und kommuniziert in einem ganz bestimmten Rhythmus. Es ist die prägende Kraft der Tagestaktung, die dem Tagebuch seine besondere Form gibt.«
Ein Weblog zur Ausstellung gibt es auch, heute (5.3.08) abend gibt es eine feierliche Eröffnung. Verehrtes Tagebuch, leider haben wir für die Eröffnung keine Zeit, doch ich hoffe doch sehr, dass wir es noch einrichten können, diese Ausstellung bis zum 14. September in Frankfurt am Main zu besuchen. Denn danach verschwindet sie nach Nürnberg und Berlin.
Hau rein, Tagebuch!
Dein R.G.