Artikel zum Thema »delicious«

Netz-Tand II - Die Lamerbar 2.0

tand netztand lamerbar

Was es heißt, wenn »man jetzt auch Web-2.0 macht«, kann man auf diesem kleinen Bildchen sehen:

Kreti und Pleti, insbesondere Kreti und Pleti aus den gläsernen Burgen der industriellen Medienproduktion, verunstalten in diesen Zeiten ihre Seiten mit einer LamerBar 2.0™ und halten sich damit für die Speerspitze germanischer Netz-Innovation. Letzter Innovator: Die gute alte »Zeit«, Verzeihung, die »Sie werden in 15 Sekunden weitergeleitet«-Zeit.

Finde ich gut. Innovativ. Total. Denn ich, also ich, der Websurfer, bin doof. Es ist mir nicht zuzutrauen, dass ich selbst daran denke, einen Artikel, der mich interessiert, in meiner deli-Sammlung abzulegen. Man muss mich mit der Nase drauf stoßen. Mich mit bunten Bildern antreiben. Mich anbetteln mit bunten Ikonen, man hört die Symbole wimmern in ihrer schmerzhaft jungfräulichen Ungeklicktheit:
»Och komm jetzt, Du Schluri aus dem Netz, wenn Du schon für umme meinen wahrhaft grandiosen Content konsumierst, dann digge mich! Deli mich! Leg mich bei Webnews an! Gib’ mir Tiernamen! Damit mehr Schluris kommen! Ja, Banner-Klick-Vieh-Schluris! Andere Schluris, die die bunten Symbole anklicken! Klick jetzt! Klick! KLICK!«

Die vage Grundidee kollektiven Bookmarksammelns, die einst das Original, del.icio.us inspirierte, das aus der Gesamtheit wohlüberlegt abgelegter Links der Benutzer eine Sammlung interessanter Dinge entsteht, ist mit den grassierenden Lamerbars dem Tode geweiht. In dem Moment, in dem man das Ablegen des Links dem bewussten überlegten Akt entzieht und als simple Bildchen-Klickerei verfügbar macht, zerstört man sie, die vage Idee. Also: Nieder mit der LamerBar 2.0™!

Auf der Suche nach dem Brüllr 2.0

web2.0 delicious flickr

Es gibt so Tage. Du sitzt vor dem Rechner, alles was Du hast, ist so alt und gewöhnlich, und Du denkst: »Boah, habe ich jetzt mal Lust, mich bei einem richtigen schönen neuen Web-2.0-Brüller-Dienst anzumelden.«

Einst, 2004, habe ich mich bei Flickr und deli angemeldet und bin mehr als zufrieden. Das funktioniert, auch über die Jahre, und ist einfach gelungen und gut.
Aber das ist bald drei Jahre her, es muss ja auch mal was Neues und Tolles geben. Das zu finden kann ja kein großes Problem sein, denkt man, die Blogs sind voll von Meldungen, wie toll »MeeToor« oder »Geklontes Angebotr« sind.

Aber schon nach kurzer Zeit stellt sich ein Gefühl der Ernüchterung ob des Zustandes 2.0 in den Weiten des Webs ein. Wohin man schaut, ganz tolle Klons von deli, flickr oder YouTube. Und dann klingelt es in der Mailbox. Der 37. deli-Klon aus deutschen Landen fordert mich auf, mir eine LamerBar 2.0™ (siehe Abb. oben) zuzulegen und ihren Klon selbstverständlich zu berücksichtigen. Meine verehrten gegelten Freunde, eher ziehe ich los und lasse mir in einer Piercing-Stube einen Ring durch die Nase ziehen…

Also, die Anforderung für die nächste 2.0-Anmeldung wird spezifiziert: Keinen tumben Klon. Ich will was Neues! Es muss doch in fast 2.5 Jahren Web 2.0 etwas Neues geben.

Mal weiter gucken. Oh, was haben wir denn da beim Herrn Kottke? »I do the right thing«, eine Kopie von digg mit ethischer Komponente. Bei jedem Link soll ich bewerten, in welcher Hinsicht der Link die Menschheit weiter bringt und die Welt verändert. Nicht schlecht, das ist endlich mal was Neues. Aber der Anspruch, jegliches Ding in den weiten des Webs müsse eine inhärente Weltverbesserungskomponente besitzen, erscheint mir bei näherem Nachdenken doch etwas arg anspruchsvoll.

Also geht die Suche weiter. Und was finden wir da:

Twitter. Wie wir auf dem Bildchen oben (CC von david roessler auf flickr) unschwer erkennen können, sind alle Wichtigen dabei. Das muss einfach etwas sein, sonst wären nicht alle Heroen der Web-Welt da drin. Etwas Neues! Also gleich mal angemeldet. Und ein wunderhübsches Gadget für den Mac gibt es auch dafür. Hurra, endlich mal ein neuer Dienst 2.0!

Nun bin ich also drin. In Twitter. Wieso heisst das eigentlich nicht Twittr? Und wozu ist das eigentlich gut? Sagt es mir, ich kann es nicht erkennen.

Okay, ich gebe auf. Oder Du, verehrte Leserin, verehrter Leser, sagst mir nun, was der nächster Brüllr 2.0 ist. Wo soll ich mich anmelden? Aber: Keine Klons, und keine (das ist wohl eine Spezialität in Deutschland) Startups mit dem Geschäftsmodell »Ihr macht gratis die Arbeit, wir nehmen die Kohle, und nennen das dann User-generated-Content und einen Akt der publizistischen Partizipation«. Und?